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Orchesterjubiläum 2011

„Die zweiten Geigen spielen genauso schnell wie die ersten, auch schön. Ich mach euch drei Takte vorher den Fisch, damit ihr das Tempo bekommt!“


Wer Frau Schiemenz kennt, kann sich förmlich vorstellen, wie sie diesen Satz betonte und aussprach. Es war zwar schon der Samstag vor dem Jubiläumskonzert, und wir hatten schon wieder den Anfang von Schuberts „Unvollendeter“ nicht hinbekommen (die 2. Geigen hätten nämlich nur halb so schnell spielen sollen wie die ersten…), aber Frau Schiemenz blieb trotzdem gut gelaunt und optimistisch, obwohl schon in wenigen Stunden die Generalprobe sein sollte.


Als Frau Schiemenz uns vor eineinhalb Jahren mitteilte, dass wir zum zehnjährigen Jubiläum unseres Orchesters ein Jubiläumskonzert gestalten würden, waren wir alle sofort mehr oder weniger Feuer und Flamme. Für das Orchester begann die eigentliche Arbeit erst kurz vor den Sommerferien. Für Frau Schiemenz aber hatte diese Arbeit schon viel früher begonnen: Es mussten neben den Stücken für das ganze Orchester auch Kammermusikstücke gesucht und bearbeitet werden, Besetzungen zusammengestellt und schließlich entschieden werden, wer welche Stimme spielen sollte. Außerdem mangelt es unserem Orchester nicht nur an Platz auf der Bühne, sondern in einigen Gruppen auch an Spielern. Wir haben zum Beispiel nur ein Fagott, eine Querflöte, keinen festen Kontrabass und meistens kein Klavier. Wie also sollte man diese Stimmen besetzen, wer sollte sie spielen? Und vor allem, wird das Orchester dieser Anstrengung überhaupt gewachsen sein? Wir hatten schließlich schon vorher einmal den zweiten Satz der Unvollendeten gespielt und es war uns damals mehr schlecht als recht gelungen. Nach einigem Hin und Her entschied sich Frau Schiemenz aber dafür, dieses Konzert mit uns zu wagen. Also begannen wir kurz vor den Sommerferien mit den Proben und erarbeiteten Stück für Stück ein ansehnliches Konzertprogramm. Zuerst klang es eher wie ein Dudelsack, nicht wie klassische Musik, aber durch viel investierte Zeit, Übung und viele Stimmproben wurden wir immer besser. Je näher das Konzert kam, desto unruhiger wurde ich, denn es gibt eine Stelle, die ich bis heute nicht richtig kann. Als die Proben anfingen lief noch alles, ich konnte die Stelle und machte mir keine Sorgen, aber auf einmal konnte ich sie nicht mehr spielen, egal in welchem Tempo. Also blieb nur eine Lösung: meine Geigenlehrerin. Sie war schon etwas genervt, was aber eher daran lag, dass sie gleich drei Schülerinnen aus unserem Orchester unterrichtet und dementsprechend das gleiche Stück, wenn auch zwei unterschiedliche Stimmen, dreimal pro Woche bearbeiten musste.


Anfang September kamen unsere Vorbereitungen dann in die heiße Phase - das erste Probenwochenende stand an. Das hieß, dass wir das erste Mal mehr oder weniger vollständig besetzt waren. Unsere Verstärkung reiste dann sogar aus Freiburg an, um uns bei unserem ersten runden Jubiläum teilzunehmen. Auch Frau Schiemenz’ Familie war parat, um uns mit Fagott, Horn und Geige zu unterstützen.
Die Probenwochenenden bestanden eigentlich nur aus Proben, essen und schlafen, wobei letzteres nur mühsam gelang, weil wir auch sonntags schon vor neun Uhr in der Schule erschienen. Aber immer, wenn es zu anstrengend wurde, probte Frau Schiemenz mit uns den „Second Waltz“ von Shostakovitch, der uns durch seine Energie immer wieder aufmunterte. Trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten hatten wir nach 15 Stunden Probe viel geschafft und starteten todmüde und mit lahmen Fingern in die neue Woche.


Anfang Oktober stand dann das zweite Probenwochenende inklusive Konzert an. Nun war zum Beispiel klar, dass es nur vier erste Geigen geben würde, da eine krank und eine andere im Urlaub war. Vier, das erscheint zwar viel, ist es aber nicht, zumal, wenn auf der anderen Seite der Bühne sechs Celli und zwei Kontrabässe thronen, gegen die es anzukämpfen gilt. Dank tatkräftiger Unterstützung von vielen Ehemaligen und Freunden, wie zum Beispiel Sarah, die als Ehemalige den Celli half, und Frau Krause, die einige Bläserproben leitete, kamen wir aber gut voran.


Unsere Arbeit wurde am Sonntag vor den Ferien durch ein wunderschönes Konzert vor einem begeisterten Publikum belohnt.


(Liv Marieke Asmussen)

 


Und so erlebte eine „Auswärtige“ das Projekt:

 


„Mama, wir haben Orchesterjubiläum und brauchen einen Kontrabass, du musst endlich wieder spielen…“. Mit dieser Ansage kam meine Tochter in der ersten Jahreshälfte aus der Schule. Als die Noten folgten, wurde ernst, ich musste das Instrument, das seit 22 Jahren (!) nur noch gelegentlich gespielt wird, wieder in die Hand nehmen.


Die alten Tonleitern und Etüden spielten sich noch wie von selbst, aber stimmt die Intonation wirklich? In den Sommerferien gab es eigentlich keine Ausrede mehr, denn Zeit zum Üben war eigentlich da. Dennoch gab es viele Probleme, denn die Finger taten weh und das Kolofonium war alt. Da musste dringend erst einmal neu bestellt werden und irgendwie war alles schwergängig und mühsam: Wie lege ich den halben Meter bis zum hohen F in Windeseile zurück? Gibt es nicht noch einen patenteren Fingersatz für Takt 73? Wie zählt man noch Sechzehntel im Sechsachteltakt?
Ich fühlte mich wieder in Schulzeiten zurückversetzt – und da Frau Schiemenz ihre Pappenheimer kennt, war alles lösbar: Die Stückauswahl lieferte mit der „Unvollendeten“ in der Bearbeitung von Thomas Stapf und dem schwungvollen „Second Waltz“ von Shostakovich sowie der kleinen und sehr feinen Kammermusikauswahl eine für alle leistbare Herausforderung.

 

Zwei Probenwochenenden gemeinsam mit dem Schulorchester versetzten uns Ehemalige wieder in alte Zeiten zurück und ließen das nun erweiterte Orchester zu einem Ensemble zusammenwachsen. Dank Frau Schiemenz´ Elan und unendlicher Geduld erarbeiten wir uns ein Gespür für Dynamik und den besonderen Klang der Werke und wurden von Tag zu Tag sicherer im Zusammenspiel: Schülerinnen fast aller Jahrgänge neben inzwischen Studierenden oder in Ausbildung befindlichen, ihren Lehrerinnen, dem Schulleiter, ehemaligen Referendaren oder Kollegen der Schule und Freunden des Orchesters. Eine Altersspanne von fast fünfzig Jahren und eine Arbeitsatmosphäre, in der jeder sich musikalisch entwickeln konnte.
Ich genoss das Treiben von meinem Pult in der letzten Reihe und war unendlich stolz auf meine Tochter am ersten Pult – auch wenn wir beide hätten wirklich besser üben können ...


Die zwei Probenwochenenden mit Abschlusskonzert waren dann nicht nur eine ganz besondere musikalische Erfahrung und menschliche Begegnung, sondern vor allem gelebte Pädagogik: Wo findet man sonst Jung und Alt, die gemeinsam mit Geduld und Spucke auf Augenhöhe arbeiten und schließlich stolz und glücklich ein gelungenes Konzert gestalten?


Dass das möglich war, verdanken wir Frau Schiemenz und der enorm warmen und familiären Atmosphäre an dieser Schule, die Ehemalige und Freunde einfach immer wieder zurückkommen lässt.


(Christine Asmussen)

orchester-jubi1-2011
orchester-jubi5-2011
orchester-jubi7-2011